Vom 10. bis 20. September fanden im spanischen Santa Pola die Formulaweltmeisterschaften statt. 100 Starter aus 16 Nationen hatten zum Jahreshöhepunkt gemeldet.
Im Unterschied zur olympischen Einheitsklasse RSX ist die Materialwahl bei den Formulasurfern offen. Es gibt lediglich eine Einschränkung: die Frauen dürfen maximal mit einer Segelgröße von 11 m² antreten. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zum RSX: die Rennen werden erst ab 10 Knoten gestartet, einem Wind, beim dem alle Surfer im Gleiten und damit gerechte Ausgangsbedingungen für alle Starter vorhanden sind.
Erst im März hatte ich das RSX gegen das wesentlich schnellere Formulaboard getauscht. Auf Grund von Windmangel konnte ich jedoch nur wenige Rennen im Rahmen des Deutschen Windsurfcups und einige Trainingseinheiten absolvieren und traf nun auf die internationale Windsurfelite.
In der Organisation unterscheidet sich eine Formulaweltmeisterschaft nur wenig von einer RSX-WM. Allerdings ist das Interesse der Medien und des Publikums unvergleichbar. Große Zuschauertribünen direkt am Strand, ständig präsente Fernseh- und Kamerateams, Moderatoren, die das Geschehen für Jeden verständlich machten und sogar Fotografen, die bei der Tonnenrundung, mit Helm und riesigen Objektiven im Wasser schwimmend, die schönsten Fotos schossen.
Während wir beim RSX von Zuschauern an Land meist nicht einmal mit dem Fernglas auszumachen sind, ist das Publikum beim Formula hautnah mit dabei. Die Rennen werden soweit wie möglich unter Land ausgetragen und somit erlebten WM-Starter und Zuschauer, bei Rennen bis zu 35 Knoten und zwei Meter Wellen, Aktion und Nervenkitzel pur.
Auch für mich hielt diese Weltmeisterschaft viele neue Herausforderungen bereit. Die erste begann schon beim Aufriggen an Land. Beim RSX ziehen alle Frauen das einheitlich erlaubte 8,5 m² Segel auf. Entsprechend Wind erfolgt ein erstes Trimmen an Land, auf dem Wasser kommen dann die Feineinstellungen dazu.
Beim Formula heißt es, sich zuerst einmal für ein Segel zu entscheiden. Die meisten Damen hatten drei Segel zwischen acht und elf Quadratmetern zur Auswahl. Dazu kamen drei Finnen in den verschiedensten Varianten. Da ich, derzeit noch ohne finanzielle Unterstützung, diese Regatta für mich als Test sah, wie ich mit dem Formulamaterial zurechtkomme, war meine Materialausrüstung im Vergleich vermeintlich klein: ein Board, eine Finne sowie ein 10 m² und ein 11 m² Segel. Leider sollte mir das im Verlauf der Regattaserie noch zum Verhängnis werden.
Nach der Wahl des Segels und der Finne geht es dann zum Testen des Materials aufs Wasser. Vor dem Start muss an Land alles so perfekt wie möglich aufeinander abgestimmt sein, denn eine Veränderung auf dem Wasser ist nicht mehr möglich.
Die Regattaserie unterscheidet sich auch vom RSX. Anstatt meist elf Rennen mit Medalrace und einem Streicher, surfen die Formularstarter, wenn möglich, 16 Läufe mit drei Streichern.
Ich musste während der ersten Wettfahrten Lehrgeld zahlen, da mir Erfahrungen und die Sicherheit auf diesem Material fehlten. Ich hatte noch zu sehr den Wendewinkel vom RSX im Blut und somit kam ich des Öfteren mit Überhöhe an der Luvtonne an. Doch das legte sich schnell und schon am zweiten Wettkampftag konnte ich in der Spitzengruppe mitsurfen. Leider fing ich dann jedoch mit der Finne in zwei Läufen Plastiktüten was dazu führte, dass ich jeweils einen Schleudersturz hinlegte. Am dritten Tag war es dann soweit. Der Wind wehte in der ersten Wettfahrt zwischen 20 und 25 Knoten! Die Männer starteten zuerst und einige von ihnen mussten das Rennen vorzeitig beenden, da sie die falsche Segelgröße gewählt hatten. Ich dagegen hatte keine große Wahl und musste mit meinen 10 m² auf das Wasser. Der Großteil der Männer surfte mit der gleichen Segelgröße oder sogar kleiner! Das war nicht sehr beruhigend! Ich surfte total am Limit und konnte das Rennen trotzdem mit einem super dritten Platz beenden. Im zweiten Rennen des Tages wehte der Wind zwischen 30 und 35 Knoten und es hatte sich zwischenzeitlich eine zwei Meter hohe Welle aufgebaut. Die Mädels surften mit maximal 9 m² Segel n und ich musste mit 10 m² und meiner Leichtwindfinne aufs Wasser. Die Kreuz konnte ich noch surfen, doch Vorwind war für mich nicht mehr möglich. Mein Brett flog nur noch unkontrolliert durch die Gegend und immer wieder kam der Wind unter das Brett, so dass ich einfach wegflog und stürzte. Nur drei Surferinnen beendeten das Rennen, alle anderen mussten von den Rettungsbooten an Land gebracht werden. So eine Wettfahrt hatte ich noch nie in meinem Leben erlebt!
An den verbleibenden Wettkampftagen konnte ich mich dann meist unter den Top Drei platzieren und lag vor der letzten Wettfahrt mit nur einem Punkt Rückstand auf die Fünfte, auf Platz sechs. Und auch zum dritten Platz waren es lediglich sechs Punkte. Auf Grund schlechter Windverhältnisse wurde das entscheidende Rennen erst fünf Minuten vor der letzten Startmöglichkeit angeschossen. Der Wind wehte leicht und sehr böig. Nach einem perfekten Start führte ich in der Nachstartphase mit ca. 100 Metern. Nach der ersten Kreuzhälfte schlief der Wind jedoch auf meiner Seite ein und ich kam aus dem Gleiten. Der Wind setzte dann genau auf der gegenüberliegenden Seite wieder ein und somit hatte ich leider keine Chance mehr, mich weiter nach vorn zu kämpfen. Ich beendete also meine erste Formulaweltmeisterschaft mit einem für mich zufriedenstellendem sechstem Platz. Formulaweltmeistern wurde die Polin Marta Hlavaty, punktgleich vor Allison Shreeve aus Australien.
Für mich war mein erster Start bei einer Formulaweltmeisterschaft eine aufregende und lehrreiche Zeit und ich weiß nun, dass der Wechsel vom RSX zum Formula für mich die richtige Entscheidung war.
Im März kommenden Jahres werden in Argentinien die neuen Weltmeister ermittelt. Ich hoffe, dass ich bis dahin meine Ausrüstung entsprechend aufstocken kann, um dann bei der Vergabe der Medaillenplätze mitmischen zu können.
Wiebke Sradnick
Alle Ergebnislisten, Infos und Fotos findet ihr unter http://www.formulawindsurfing.org/.
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